ROCKIN´ROSIE MUSICAL UA
UA Musical von Peter Lund und Wolfgang Böhmer; Im Staatstheater am Gärtnerplatz München, Musikalische Leitung: Andreas Partilla; Ausstattung: Rainer Sinell; Choreographie: Rita Barao-Soares; Premiere: 09.12.22
Presse:
DEUTSCHE BÜHNE
Alexander Franzen, Dagmar Hellberg und Frances Lucey in „Rockin‘ Rosie“ am Gärtnerplatztheater München © Jean-Marc Turmes; Text:Tobias Hell am 10. Dezember 2022Ein Spagat, der Regisseurin Nicole Claudia Weber mit viel Fingerspitzengefühl gelingt. So weiß sie im Zusammenspiel mit Choreographin Rita Barão Soares nicht nur einige schmissige Ensemblenummern aufs Parkett zu zaubern, sondern den Menschen auf der Bühne ebenso Raum für die emotionalen Großaufnahmen zu geben. So etwa in Rosies bewegendem Solo „Ich wollte nur singen“.
Deutsche Bühne: Tobias Hell;Einen Architekten als Verlobten, der mit gestriegelter Frisur und akurat gebundener Krawatte zum familiären Kaffeekränzchen erscheint? Und dann auch noch für seinen FDP-Kreisverband aktiv? Was für die einen nach idealem Heiratsmaterial klingen dürfte, bringt das Weltbild von Rosie Murr ganz schön ins Wanken. Was ist nur falsch gelaufen, dass die Enkelin ausgerechnet so einen glattgebügelten Saubermann anschleppt? Denn selbst wenn die rüstige Dame hier bereist den Siebzigsten feiert, weht durch ihre Schwabinger Wohnung immer noch der Rock’n’Roll-Spirit ihrer wilden Jahre. Da gibt es immer wieder Grund zu Schmunzeln, wenn Autor Peter Lund und Komponist Wolfgang Böhmer die klassischen Rollenbilder umdrehen und auf der Studiobühne des Staatstheaters am GärtnerplatzStaatstheaters am Gärtnerplatzeine rockende Rentnerin auf einen Haufen konservativer junger Spießer trifft, die angesichts ihrer bemühten Political Correctness Gefahr laufen, jede Art von Humor aus ihrem Leben zu verdrängen. Und es ist durchaus eine nette Abwechslung, wenn in einem Musical mal nicht nur junge Tänzerinnen mit Size Zero Kleidergröße von Herren mit Waschbrettbauch in die Höhe gestemmt werden, sondern die Generation der Best Ager ihre Erfahrung ausspielen darf – in mehr als einer Hinsicht. Böhmer und Lund haben im Kollektiv mit dem Münchner Ensemble eine locker flockige Boulevardkomödie entwickelt und aus den gesammelten Ideen eine authentische Geschichte destilliert, in der neben einigen mit großer Geste vorbereiteten Schenkelklopfern immer wieder auch Platz für echten Tiefgang ist. Wobei es am Ende keine echten Sieger gibt und wie im richtigen Leben letztlich alle Beteiligten zur Lösung der familiären Konflikte gewisse Kompromisse eingehen müssen. Zum Glück, ohne dabei den moralisch belehrenden Zeigefinger zu bemühen. Ein Spagat, der Regisseurin Nicole Claudia Weber mit viel Fingerspitzengefühl gelingt. So weiß sie im Zusammenspiel mit Choreographin Rita Barão Soares nicht nur einige schmissige Ensemblenummern aufs Parkett zu zaubern, sondern den Menschen auf der Bühne ebenso Raum für die emotionalen Großaufnahmen zu geben. So etwa in Rosies bewegendem Solo „Ich wollte nur singen“.
Wunderbares Ensemble
Dreh- und Angelpunkt des Abends ist natürlich Titelheldin Dagmar Hellberg, die am Gärtnerplatz mittlerweile auf die Nebenrollen der Komischen Alten abonniert scheint und hier endlich wieder einmal in das ihr zustehende Rampenlicht gerückt wird. Hellberg, deren eigene Lebensgeschichte den einen oder anderen Berührungspunkt mit ihrer Rolle aufweist, beherrscht das Geschehen mit starker Bühnenpräsenz und bildet mit Kollegin Frances Lucey ein herrlich humorvolles Paar. Vor allem, wenn die zwei selbstbewussten Frauen, Rosies Enkelin mit dem schmissigen Song „Auf meiner Klingel steht Single“ endlich die Augen öffnen und damit das Schicksal des FDP-Saubermanns besiegeln.
Zum Glück stimmt auch die Chemie zwischen Rosie und den drei anderen ehemaligen Bandmitgliedern und potenziellen Vätern von Sohn Stefan. Alexander Franzen, Frank Berg und Erwin Windegger bilden dabei ein ebenso skurriles wie liebenswertes Trio, bei dem man durchaus versteht, warum es Rosie immer schwer fiel, sich für einen von ihnen zu entscheiden. Natürlich ist an dieser Stelle der Handlung auch kurz die „Inspiration“ des ABBA-Jukebox-Musicals „Mamma Mia“ zu spüren. Doch immerhin muss „Rockin‘ Rosie“ nicht auf bestehende Hits zurückgreifen und punktet stattdessen mit ebenso eingängigen wie zweckdienlichen Melodien aus der Feder von Wolfgang Böhmer, der den Sound der 70er-Jahre authentisch einfängt und neben dem Ensemble auch der vierköpfigen Band einiges an Futter gibt.
Ein erfrischend anderes Musical aus deutschen Landen mit ganz eigener Identität. Zwar mit einer ordentlichen Portion München-Nostalgie, doch im Kern eine Geschichte über Familie. Mit der Erkenntnis, dass Konflikte zwischen den Generationen sich am Ende eben nur durch einen Dialog auf Augenhöhe lösen lassen.
Lebensnahes Ernstical als Musical – Das Staatstheater am Gärtnerplatz landet mit „Rockin‘ Rosie“ einen Coup
(nmz)-Die Musikstadt München? Klar, drei Spitzenorchester, zwei mehr oder minder blühende Musiktheater, Klassik-Starnamen von Rafael Kubelik über Sergiu Celibidache bis Kirill Petrenko mit vorbeiziehend-wiederkehrenden Kometen wie Leonard Bernstein oder Carlos Kleiber, dazu x hochklassige Ensembles anderer Sparten… Aber München war auch ganz anders, damals in den 1970ern.
10.12.2022 – Von Wolf-Dieter Peter
daraus entwickelt Regisseurin Nicole Weber eine mal nostalgische, mal witzige Feier:……. Stehende Ovationen – das unterhaltende Theater hat ein ernstzunehmendes Musical mehr.
Die Uraufführung des Mehr-Generationen-Musicals „Rockin‘ Rosie“ am Gärtnerplatztheater.
Von Michael Zirnstein
Dass hier auf der Studiobühne in den Katakomben des Gärtnerplatztheaters nicht der Broadway-Glitzer-Orkan toben wird, macht die Seniorin Roswitha Murra schon in der Antrittsnummer klar. „Heute ist mein Tag“, singt sie solo, „an meinem 70. Geburtstag laufe ich rum, wie es mir gefällt“. Sie habe sich „lange genug in die hohen Hacken gequält für die Kerle“, beschließt sie und kickt die Plateaupumps in die Ecke. „Wir betreten unser achtes Lebensjahrzehnt in Komfortsandalen mit Wechselfußbett.“
So bequem wird der Ehrentag nicht ausfallen. Nicht nur Roswithas Mitstreiter ihrer alten Band Rockin‘ Rosie haben sich zur Feier angemeldet, und die bringen erwartungsgemäß Haschisch, die alten Eifersüchteleien aus Kommune-Zeiten und neue Gebrechen mit; sondern plötzlich steht auch im Business-Kostüm Enkelin Hanna (Florine Schnitzel) nebst FDP-Freund Max (Peter Neustifter) in der Tür. Lange nicht gesehen. „Omilein!“ Die will doch was!
Hannas Geschenk: Sie will auf den „heiligen Boden“ von Rosies Schwabinger Proben-Garage ein Mehrgenerationenhaus stellen. Um „Synergieeffekte zu nutzen“, wie Architekt Max doziert. „Ihr packt ein paar Alte aufs Dach, und die sollen eure Kinder hüten“, mutmaßt der Halbstarken-Rentner Sir Tobi (Alexander Franzen).
Als Theaterarbeit funktioniert das Miteinander aller Altersstufen harmonischer. Das oft mit dem „Deutschen Musical Theater Preis ausgezeichnete“ Duo Peter Lund (Buch) und Wolfgang Böhmer (Musik) hat für die Uraufführung des schmissigen Mehrgenerationen-Musicals „Rockin‘ Rosie“ die Darsteller eigene Erfahrungen einbringen lassen. Dagmar Hellberg, die Rosie, hat da einiges zu bieten: Lange bevor sie 2022 zur Bayerischen Kammerschauspielerin ernannt wurde, sang „Daggie“ bei The Hornettes, fuhr Taxi und moderierte mit Thomas Gottschalk „Pop nach 8“. Die wilden Zeiten klingen in den Songs und Sprüchen nach. Aber statt plumpem Abwatschen einer Spießer-Jugend wird ein lebendiges Musicalhaus mit pfiffig erzähltem Familien-Freund und -Leid daraus.